Das Porträt von Vaago Weiland aus dem aktuellen c/o-Magazin:

Es ist schier unmöglich, den Mönchengladbacher Künstler Vaago Weiland einer Kunstgattung zuzuordnen. „Ich habe mich komplett vom disziplinären Arbeiten getrennt“, erklärt er selbst. Dabei kommt er eigentlich aus der klassischen Bildhauerei und hat auch Architektur studiert. Als Bildhauer ist er es gewohnt, Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und immer wieder den eigenen Standpunkt zu wechseln. Dies hat ihn in seinem Leben und seiner Kunst geprägt. Welche Art von Kunstwerk es letztendlich wird, hängt mittlerweile von den Umständen ab: „Manchmal ist zuerst das Material da, aber oftmals sind es die Themen, die mir in der Gesellschaft oder in menschlichen Beziehungen auffallen.“ Diese Themen versucht er dann zu durchdringen und von allen Seiten zu beleuchten. So entstehen Dynamiken, die von selbst eine Ausdrucksform vorgeben: Mal wird es eine Tanz-Performance, dann wieder eine Installation oder Skulptur.

Die Zeit als Dozent für Bildhauerei an der University of Fine Arts Kabul hat Weiland in seiner künstlerischen Laufbahn besonders geprägt: 2004 wurde er eingeladen, mehrere Kurse in den Bereichen Bildhauerei und Videokunst an der Kunsthochschule in Afghanistan zu geben. Es war eine Zeit inmitten des Krieges. Bilder, die er erwartete, fand er vor: Eine Stadt in Schutt und Asche, geprägt von grauen und braunen Tönen. Inmitten dessen fielen ihm die Burka tragenden Frauen auf, die in ihren kobaltblauen Gewändern durch die Straßen wehten. Sie schlängelten sich durch den tödlichen Straßenverkehr und mussten beim Überqueren der Straße besonders vorsichtig sein und sich verrenken, um etwas sehen zu können. Die männlichen Autofahrer machten sich aus diesem Handicap einen Spaß und fuhren absichtlich rücksichtslos. Dieses Bild beschäftige Weiland. Er tauscht sich mit seinen Studierenden aus und erkannte, dass es den Männern egal war, ob sie vielleicht ihre Mutter, Schwester oder Ehefrau überfahren. Die Frauen hatten in der Gesellschaft keinen Wert. Es entstand die Idee, Straßenschilder aufzustellen, ähnlich wie den in Deutschland bekannten Warnschildern vor Hirschen oder Kühen. Nur eben mit Piktogrammen von Burka tragenden Frauen. Es war Weiland ein innerer Drang, diesen Missstand aufzuzeigen und so wurden über Nacht 100 Schilder aufgehängt. Dass diese Arbeit eine politische Dimension hat und Diskussionen nach sich ziehen würde, war ihm bis dahin nicht bewusst: „Ich bin ein angstfreier Mensch und mache die Dinge einfach. Ich bin über die Dimensionen, die es nachher einnimmt, immer wieder überrascht. Ich finde es gut, wenn zeitgenössische Kunst politisch ist.“

Der Künstler hat viele Arbeiten im öffentlichen Raum entwickelt und auch in Mönchengladbach findet man noch Teile seines Projekts „Bodenaustausch“, das zur EUROGA 2002plus entstand. „Wenn man sich von Disziplinen löst, löst man sich auch von Ausstellungsräumen und Galerien“, so der Künstler. Partizipation und Teilhabe sind wichtige Aspekte seiner Kunst. Dennoch zieht es ihn immer wieder zurück vor die Leinwand. Aktuell beschäftigt er sich mit dem Element Wasser und japanischen Grafiken. Vaago Weiland verbindet diese Themen mit Gebäuden aus dem Stadtbild. So steuert in einem Gemälde eine große dynamische Welle im Stil der japanischen Grafik auf die Kaiser-Friedrich-Halle zu. Im Vordergrund befindet sich das klassische Siegel des Künstlers und der Zweig einer kaukasischen Flügelnuss – eine Hommage an den vor einigen Jahren gefällten Nussbaum vor der Kaiser-Friedrich-Halle.

Maike Grabow, c/o-Magazin 04/2022