Portrait von Karl Josef Weiß-Striebe im c/o-Magazin 03/2024

„Setz dich hin und zeichne doch einfach“ − Als es an der Kunstakademie Düsseldorf für den jungen Kunststudenten Karl Josef Weiß-Striebe anfangs etwas holprig verlief, erhielt er diesen Ratschlag von seinem Vater. Als versierter Kunsthandwerker, der kunstvolle Intarsien aus Holz anfertigte, trug er damit wesentlich zu der Entscheidung seines Sohnes bei, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Und tatsächlich: Der vermeintlich banale Rat des Vaters gab dem jungen Künstler den nötigen Anstoß, um sich an der Akademie seinen künstlerischen Weg zu bahnen.
Früh entdeckte Karl Josef Weiß-Striebe Collagen und Montagen als künstlerisches Medium für sich. Die Vermischung verschiedener Techniken wurde zu seinem Steckenpferd und dieser Linie blieb er stets treu. Statt mit weißen Leinwänden oder blankem Papier zu arbeiten, bevorzugt er bis heute existierende Materialien wie Bücher, Fotografien und Malereien. Für seine Kunst zerschneidet, arrangiert und bemalt er Medien aller Art.
Und obwohl seine Arbeiten in dieser Hinsicht formal stringent geblieben sind, haben sich die Themen, die er mit seiner Kunst behandelt, gewandelt. „Früher war ich politischer“, so Weiß-Striebe. In den 1970er-Jahren herrschte an der Akademie große Freiheit für die Nachwuchskünstler*innen, Vorschriften gab es kaum. Weiß-Striebe gefiel diese Art der Lehre, denn die Studierenden zogen alle gemeinsam an einem Strang − und das nicht nur künstlerisch. Auch politisches Engagement und Aktivismus spielten dadurch eine große Rolle im Leben des jungen Künstlers. Besonders rückblickend war das ein spannungsreicher Abschnitt seines Werdegangs. Auch wenn er sich heute politisch gemäßigter positioniert, der gesellschaftskritische Hintergrund blieb auch den Arbeiten seiner nachfolgenden Schaffensphasen erhalten.
Als Karl Josef Weiß-Striebe nach seinem Studium eine Familie gründete, zog es ihn von Düsseldorf nach Mönchengladbach. Er entschied sich an einem Gymnasium eine Stelle als Kunstpädagoge anzutreten. Die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen hat ihm Spaß gemacht. Nicht selten gab es im Klassenraum von Herrn Weiß-Striebe hitzige Diskussionen über Kunst. Als Lehrer nutze er die besondere Chance, das Kunstverständnis der jungen Menschen zu prägen und ihr künstlerisches Interesse zu wecken. Einige seiner Schüler*innen wagten den Schritt in einen künstlerischen Beruf, mit manchen von ihnen pflegt er sogar bis heute engen Kontakt.
Seine heutigen Künstlerkolleg*innen warnt er vor einer „Tendenz zur Oberflächlichkeit“. Der jungen Generation legt er deshalb ans Herz, die Arbeiten anderer Künstler*innen zu reflektieren und den kreativen Austausch zu suchen. „Bleibt nicht in eurem eigenen Zeug stecken“. Ein Ratschlag, der zunächst ähnlich trivial wie der seines Vaters damals klingen mag, aber zugleich die Lebenserfahrung und Arbeitseinstellung von Karl Josef Weiß-Striebe vor Augen führt.

Sarah Cüppers