Project Description

KARL JOSEF WEIß-STRIEBE

1950
geb. in Niedermarsberg/Westf.

1956-60
Zwergschule im Sauerland

1970
Migrantenabitur in Korbach/ Waldeck

1971-78
Studium Kunstakademie Düsseldorf bei Gert Weber und Ernst Althoff

seit 1980
Kunsterzieher in Mönchengladbach

2005 – 2009
Mitarbeit Galerie für Zeichnung und kleine Formate, Korschenbroich

2012
Eheschließung mit Marion Weiß

Ausstellungen

1984, -93 und -95
Galerie Strunk-Hilgers, Mönchengladbach

1985, -87
u.a. Delta Galerie (Hubertus Wunschick), Düsseldorf
weitere Ausstellungen in Dortmund, Düsseldorf, Erkelenz, Köln, Mönchengladbach, Recklinghausen und Wuppertal

2010
„Fenster“, Alte Schule Korschenbroich

2010/11
Kunstfenster Ry mit Marion Weiß, Mönchengladbach

2013
Varieté Freigeist mit Marion Weiß, Viersen
Schreibarbeiten im „Juni“ (Kritik) und „Muschelhaufen“ (Rezensionen“)

2017
„Hundstage“ …Hitze, Trägheit, Scheiß, Wespen…, 28.07. is 13.08.2017, Galerie im Atelierhaus E71, Mönchengladbach

2018
Der Gott aus der Garage – vom Verschwinden der Bilder, 27.07. bis 12.08.2018, Galerie im Atelierhaus E71, Mönchengladbach

2019
Maengelexemplar, 26.07. bis 11.08.2019, Galerie im Atelierhaus E71, Mönchengladbach

2020
07.02. bis 23.02.2020, Galerie im Atelierhaus E71, Mönchengladbach

2021
Passagen, 09.04. bis 25.04.2021, Galerie im Atelierhaus E71, Mönchengladbach

2022
Collagen, 05.02. bis 20.02.2022, Galerie im Atelierhaus E71, Mönchengladbach

Publikationen

2012
„Der Karfiol | Zeitschrift für.“ (http://derkarfiol.de) Marion Weiß/ Karl Josef Weiß-Striebe (Hrsg.)

Es ist ein Wesensmerkmal unserer überaus vielschichtig strukturierten Zeit, dass wir die Fülle insbesondere der medial vermittelten Bildelemente, die ständig auf uns einstürzt, kaum noch bewältigen können. Erschwerend hinzu kommt noch, dass in der Alltags- und Berufshektik die Wahrnehmungsgeschwindigkeit immer weiter gesteigert wird, was letztlich zum Gesamteindruck eines aneinandergereihten Disparaten führt.

Die Welt ist in visuelle Fragmente zersplittert.

Auf diese Grundanmutung reagiert ein Künstler wie Karl-Josef Striebe, indem er Bildmetaphern entwickelt, die dieses Zeitphänomen, diesen Verlust der Wahrnehmungs-Mitte, nicht nur adäquat widerspiegeln, sondern verdichtend herausarbeiten. Als Ausgangsfundus dienen ihm dabei jene Abbildungsexzerpte, die uns über Druck- und Reproverfahren erreichen: Buchseiten, Fotos, Illustrationen, Stiche, Plakate, Zeitschriften, Musterblätter, Kataloge usw. Nichts ist minderwertig, kann es doch abgeklopft werden auf inhaltliche und formalästhetische Ergiebigkeit – und die definiert allein der Künstler in seiner kombinatorischen Umwidmung, die aus den Fragmenten eine neue, eine ästhetische Realität erstehen lässt.

Striebe befragt nämlich die Funde nicht auf ihren ursprünglichen Informations- und Gebrauchswert, er extrahiert vielmehr zitathaft Anspielungen und strukturelle Wesensessenzen und nutzt die Chance zur potenzierenden Überhöhung, die gleichwohl um die Möglichkeiten ironisierender Brechung oder dienender Zurücknahme weiß. Rein fertigungstechnisch bezeichnet man diese Vorgehensweise je nach Anwendungsgrad als Collage, Décollage oder Assemblage, und die großen kunsthistorischen Wegbereiter dieser Sehweise sind uns aus der Klassischen Moderne geläufig. Aber Striebe handhabt natürlich auch Kombinationen daraus, und das artistische Verwirrspiel wird in der jüngeren Vergangenheit noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass er sich partielle Übermalungen leistet oder durch fotokopierte Vergrößerungen die Realitätsbezüge weiter verfremdet.

Und so entsteht dann jeweils ein regelrechter Kosmos des Bildnerischen, der die Wirklichkeit sehr wohl reflektiert, aber ihr mehr – subjektive – Gerechtigkeit widerfahren lässt, als die fragmentarisch erlebte „echte“ Wirklichkeit, die ja – wie wir alle aus eigener Anschauung wissen – eine trügerische ist. Kunst ist para-real: Mit den Maßstäben aus Wissenschaft, Technik und Gesellschaftslehre nicht messbar oder gar „beweisbar“, aber sie erhellt über den Umweg der dialektisch eingesetzten Widerrede und bringt auf menschlich wahrnehmbares Maß, indem sie emotional sensibilisierte Erkenntnis-Schlupflöcher bereit hält.

Stützen kann sich Striebe bei diesem Unterfangen auf die Tatsache, dass die meisten Menschen auf vorgeprägte kulturhistorische Bildelemente ähnlich reagieren und auch Farben, Strukturen und Materialen nach vergleichbaren Patterns abgespeichert haben. Den neuen, vom Künstler präjudizierten Erlebniskontext muss freilich in lustvoller Aneignung jeder für sich erschließen und um das eigene Assoziations- und Kontemplationsgespinst auskleiden.

Klaus Flemming


„Setz dich hin und zeichne doch einfach“ — Als es an der Kunstakademie Düsseldorf für den jungen Kunststudenten Karl Josef Weiß-Striebe anfangs etwas holprig verlief, erhielt er diesen Ratschlag von seinem Vater. Als versierter Kunsthandwerker, der kunstvolle Intarsien aus Holz anfertigte, trug er damit wesentlich zu der Entscheidung seines Sohnes bei, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Und tatsächlich: Der vermeintlich banale Rat des Vaters gab dem jungen Künstler den nötigen Anstoß, um sich an der Akademie seinen künstlerischen Weg zu bahnen.
Früh entdeckte Karl Josef Weiß-Striebe Collagen und Montagen als künstlerisches Medium für sich. Die Vermischung verschiedener Techniken wurde zu seinem Steckenpferd und dieser Linie blieb er stets treu. Statt mit weißen Leinwänden oder blankem Papier zu arbeiten, bevorzugt er bis heute existierende Materialien wie Bücher, Fotografien und Malereien. Für seine Kunst zerschneidet, arrangiert und bemalt er Medien aller Art.
Und obwohl seine Arbeiten in dieser Hinsicht formal stringent geblieben sind, haben sich die Themen, die er mit seiner Kunst behandelt, gewandelt. „Früher war ich politischer“, so Weiß-Striebe. In den 1970er-Jahren herrschte an der Akademie große Freiheit für die Nachwuchskünstler*innen, Vorschriften gab es kaum. Weiß-Striebe gefiel diese Art der Lehre, denn die Studierenden zogen alle gemeinsam an einem Strang — und das nicht nur künstlerisch. Auch politisches Engagement und Aktivismus spielten dadurch eine große Rolle im Leben des jungen Künstlers. Besonders rückblickend war das ein spannungsreicher Abschnitt seines Werdegangs. Auch wenn er sich heute politisch gemäßigter positioniert, der gesellschaftskritische Hintergrund blieb auch den Arbeiten seiner nachfolgenden Schaffensphasen erhalten.
Als Karl Josef Weiß-Striebe nach seinem Studium eine Familie gründete, zog es ihn von Düsseldorf nach Mönchengladbach. Er entschied sich an einem Gymnasium eine Stelle als Kunstpädagoge anzutreten. Die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen hat ihm Spaß gemacht. Nicht selten gab es im Klassenraum von Herrn Weiß-Striebe hitzige Diskussionen über Kunst. Als Lehrer nutze er die besondere Chance, das Kunstverständnis der jungen Menschen zu prägen und ihr künstlerisches Interesse zu wecken. Einige seiner Schüler*innen wagten den Schritt in einen künstlerischen Beruf, mit manchen von ihnen pflegt er sogar bis heute engen Kontakt.
Seine heutigen Künstlerkolleg*innen warnt er vor einer „Tendenz zur Oberflächlichkeit“. Der jungen Generation legt er deshalb ans Herz, die Arbeiten anderer Künstler*innen zu reflektieren und den kreativen Austausch zu suchen. „Bleibt nicht in eurem eigenen Zeug stecken“. Ein Ratschlag, der zunächst ähnlich trivial wie der seines Vaters damals klingen mag, aber zugleich die Lebenserfahrung und Arbeitseinstellung von Karl Josef Weiß-Striebe vor Augen führt.

Sarah Cüppers, erschienen im c/o-Magazin 03/2024

Karl Josef Weiß-Striebe