Portrait von Milen Miltchev im c/o-Magazin 01/2025

Das Entzünden eines Streichholzes in der Dunkelheit. Das Glimmen einer Zigarette bei Nacht. Das Anbrechen des Tageslichts beim Sonnenaufgang. All dies sind Lichtquellen, die unserem Auge gut bekannt sind und deren Wirkung und Atmosphäre wir uns leicht ins Gedächtnis rufen können. Doch kann das menschliche Auge einen Sonnenaufgang von einem Sonnenuntergang allein anhand der Lichtwirkung unterscheiden?
Milen Miltchev beschäftigt sich in seinen künstlerischen Arbeiten seit langer Zeit intensiv mit der Wirkung und Wahrnehmung von Licht. Um sich ästhetisch mit dem komplexen Thema der Optik, das die Bereiche der Physik, Biologie und Psychologie verbindet, auseinanderzusetzen, bedient er sich verschiedener Techniken und Materialien.
In seiner Serie „Lumen“ konzentriert sich Miltchev auf die Bedeutung von Lichtquellen für das menschliche Sehen. Die schwarzweiß gearbeiteten Aquarelle repräsentieren aufeinanderfolgende Sequenzen eines Wahrnehmungsprozesses. Das erste Blatt zeigt einen diffusen Lichtpunkt. Auf den weiteren Blättern konkretisiert sich diese Lichtquelle Stück für Stück. Je mehr Farbschichten Miltchev einem Aquarell hinzufügt, desto detaillierter und figürlicher erscheint das Motiv. Wie beim menschlichen Auge, das eine Weile braucht, um sich an neue Lichtverhältnisse zu gewöhnen, verdichtet sich hier die anfangs abstrakte Form zu einer räumlichen Darstellung.

Die Lichtwirkung breitet sich nach und nach auf den umgebenden Raum aus und umliegende Gegenstände und Oberflächen werden erkennbar. Wie bei der Auflösung eines Rätsels zeichnet sich auf dem letzten Bild der Reihe schließlich die Öllampe und ihre in seichtes Licht gehüllte Umgebung ab. Doch werden hier wirklich die Gegenstände und der Raum selbst sichtbar oder sind es nur die Schemen und Silhouetten, die uns denken lassen, dass wir sie sehen können? Als Rezipient*in erlebt man mit Miltchevs Arbeiten die Spannung  zwischen Wahrnehmung und Interpretation, Gegenständlichkeit und Abstraktion, Verstand und Phantasie.
Der Verzicht auf Farbe ermöglicht die akzentuierte Darstellung von Licht und Schatten. „Bei den farbigen Aquarellen wird die Aufgabe komplexer. Durch das Hinzufügen von Farbe erweitert sich die Arbeit um eine Dimension und der Fokus verschiebt sich“, so Miltchev. Statt sich allein auf die Hell-Dunkel-Kontraste konzentrieren zu können, kommt es dann auf die richtige Mischung der Farben an. Um die Atmosphäre einer warmen und natürlichen Lichtquelle wie zum Beispiel einer Flamme einzufangen, muss eine Mischung an verschiedenen Tönen aus rot und gelb vorgenommen werden.
Eine ähnliche Ästhetik verfolgt der Künstlers bei seinen Arbeiten aus Lack. In zahlreichen, dünnen Schichten wird dieser auf dem Aluminiumträger aufgetragen. Dabei baut Miltchev die Farbigkeit vom Hellen ins Dunkle auf. Durch stellenweises Schleifen trägt er anschließend die einzelnen Farbschichten partiell wieder ab und materialisiert durch die entstehenden Vertiefungen das Licht auf der Oberfläche. Die linienartigen Übergänge zwischen den Lackschichten werden sichtbar, stellenweise sogar das silberne, fast weiß glänzende Aluminium. Die spiegelglatt polierte Oberfläche reflektiert das Licht, ähnlich wie die wässrige Farbe auf einem Aquarell bevor sie trocknet und das Papier wieder ermatten lässt.

Sarah Cüppers

Milen Miltchev ist CityARTists-Preisträger 2024

Milen Miltchev ist einer von insgesamt zehn Preisträger*innen des CityARTists Kunstpreises 2024. Die Jury des NRW KULTURsekretariats überzeugte der Mönchengladbacher Künstler mit seiner Arbeit, die eine „hochkomplexe Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Manifestationen des Lichts” darstellt. „Die Flüchtigkeit von unterschiedlichen Lichterscheinungen fängt er in seinen Arbeiten ein und verleiht ihnen Präsenz und Dauer”, heißt es in der Laudatio.
Besonders beeindruckt war die Jury von Miltchevs geplantem neuen Projekt: „Mit […] ‚The Visible Part of the Tower‘ widmet sich der Künstler zum ersten Mal dem öffentlichen Raum und erweitert damit sein künstlerisches Spektrum. […] Besonders die Assoziation zur ‚babylonischen Sprachverwirrung‘, die er durch die malerische Bearbeitung in zahlreichen Farbschichten zum Ausdruck bringt, erscheint in der diversen Gesellschaft unserer Zeit herausfordernd.”

Milen Miltchev ist der dritte Mönchengladbacher Künstler, der mit dem CityARTists Preis ausgezeichnet wurde. Zuvor haben bereits Lars Wolter (2023) und Klaus Schmitt (2020) den Preis ebenfalls erhalten.

Förderpreis des NRW KULTURsekretariats

Mit CityARTists hat das NRW KULTURsekretariat 2020 ein neues Förderprogramm im Bereich der Bildenden Kunst aufgelegt, das 2024 bereits in die fünfte Runde ging. Ausgewählte Künstler*innen in den Wirkungsfeldern Malerei, Skulptur, Fotografie und Installation bis hin zu Grenzbereichen der Performing Arts erhalten einen Preis in Form eines Stipendiums in Höhe von jeweils 5.000 Euro.
Das Programm richtet sich an professionelle Künstler*innen, die eine zertifizierte Ausbildung genossen haben und/oder eine Reihe von Ausstellungen in Museen, Kunsthallen oder Galerien vorweisen können. Die Bewerber*innen müssen das 50. Lebensjahr vollendet und ihren aktuellen Wohnsitz in einer der Mitgliedsstädte des NRW KULTURsekretariat haben, darüber hinaus stellen sie als Verwendungszweck für das Preisgeld ein geplantes Projekt vor.