Marina Lörwald, © Hajo Müller

Die Kunst und der Weg dorthin sind Marina Lörwald nicht auf dem Silbertablett serviert worden. Aufgewachsen in Duisburg im Schatten der Mannesmann-Stahlwerke finden bewusste Berührungen mit Kunst zunächst nur bei Kirchenbesuchen mit der Oma statt, bei denen sie die bildlichen Darstellungen von Geschichten und Emotionen beeindrucken. Erste Museumsbesuche als Teenager mit der Schule und der Kunstunterricht selber öffnen allmählich die Tür zur Kunst. Die Kunst als Beruf erscheint aber zu utopisch, zu brotlos: deshalb lieber die Ausbildung zur grafischen Zeichnerin, die Arbeit als Druckvorlagenherstellerin, später das Grafikdesign-Studium, dann die Arbeit in der Werbeagentur. Es läuft, könnte man sagen, auf diesem Weg hat sie Erfolg. Wie auch in anderen Biografien bedeuten die eigenen Kinder eine Zäsur, und Lörwald stürzt sich in dieses neue Abenteuer.

Und dann? Dann ruft die Kunst, es juckt in den Fingern. Doch die Möglichkeiten sind andere als bei jungen Akademiestudis. Die Möglichkeit für Marina Lörwald ist das IBKK in Bochum als Aus- und Weiterbildungsinstitut in künstlerisch-gestalterischen Berufen. Hier macht sie ihren Abschluss in der Meisterklasse von Piotr Sonnewend.

Jetzt hat sie die Freiheit, die sie für ihre Kunst braucht. In ihrer Arbeit verliert sie sich nicht in abgehobenen theoretischen Diskursen, obwohl Konzepte bei ihren Werken eine wichtige Rolle spielen. Bei ihr steht der eigentliche kreative Prozess im Vordergrund: ein ständiger Dialog von Aktion und Reaktion zwischen Bild und Künstlerin, wobei beide agieren und reagieren.
Bei der Werkgruppe „Unerwartungen“ folgt die Bilderfindung durchaus von Anfang an einem inhaltlichen Konzept, ohne dass dies ihrer Vorgehensweise widerspricht. Mit den Darstellungen menschlicher Figuren in atmosphärischen, virtuell wirkenden Umgebungen spiegelt Marina Lörwald die Dauerpräsens der sozialen Medien in Alltag und Beruf. Basieren die Figuren auf relativ klaren Entwürfen, so lösen sich die Umgebungen von konkreten Vorstellungen und entwickeln sich erst beim Malen.

„Trabant“, 2021, Marmormehl und Ölfarbe auf Leinwand, 100 x 70 cm, © Marina Lörwald

Bei den abstrakten Arbeiten treten inhaltliche Konzepte mehr und mehr in den Hintergrund, während der Malprozess selbst stärker zum Tragen kommt, wie bei ihrer Werkgruppe „Strukturen“: Stehen zunächst Spuren und Strukturen in der Natur oder in Umwelt und Gesellschaft am Beginn des Prozesses, so lösen sich beim Malen selbst die Bilder davon und entwickeln eigene neue Strukturen, die an reale Vorbilder erinnern können ohne es zu müssen. Jetzt entwickelt sich der eigenständige Dialog zwischen Bild, Material und Malerin, wenn zunächst gebundenes Marmormehl auf die Leinwand aufgetragen wird, die sich bildenden Strukturen mit lasierender Ölfarbe oder mit Ölpastellkreide übermalt und akzentuiert werden, Spuren nachgespürt und sichtbar gemacht werden. So sind die Ergebnisse individuell: Jedes Bild entsteht in einem eigenständigen Prozess, und bei jeder Betrachtung sind die Wahrnehmungen und eventuellen Assoziationen verschieden.

Bernhard Jansen