Project Description

Cana Bilir-Meier (*1986 in München) ist Filmemacherin, Kunstpädagogin, Kuratorin und Künstlerin und lebt in München und Wien. Ihre Filme, Texte, Zeichnungen und Performances widmen sich aus einer oft persönlichen Perspektive den widerständigen Biografien und Erzählungen. Durch verschiedene Perspektiven und die Verknüpfung von Dokumentar- und Archivmaterial entwickelt sie essayistische Reflexionen über Geschichten, Erinnerungen und Archivierung. Insbesondere interessiert sich Bilir-Meier für die Verbindung zwischen Geschichten aus privaten und öffentlichen Archiven.

Cana Bilir-Meier studierte Kunst und Digitale Medien, Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste Wien, sowie analogen Film an der Schule für unabhängigen Film Friedl Kubelka und an der Sabanci Universität in Istanbul. Ihre Arbeiten waren u.a. im NS-Dokumentationszentrum München (2020), Internationale Kurzfilmtage Oberhausen (2020), Wiener Festwochen (2019), Kunstverein in Hamburg (2019), Public Art Munich (2018), Tensta Konsthall, Stockholm (2017), in der Kunsthalle Wien (2017) und auf der Diagonale – Festival des österreichischen Films (2017) zu sehen. 2016 wurde ihre Arbeit mit dem Birgit Jürgenssen Preis ausgezeichnet, 2018 mit dem ars viva Preis und 2019 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis. Ihr Kurzfilm „This Makes Me Want to Predict the Past“ gewann 2020 bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen, den Deutschen Wettbewerbspreis für die lobende Erwähnung.

Sie ist eine Geschichtensammlerin und -erzählerin. Akribisch erforscht sie öffentliche Archive, behutsam und respektvoll die privaten Unterlagen ihrer Familie. Ihre Themen: Migration, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus. Der Wissendurst von Cana Bilir-Meier ist unersättlich. Und all ihre gewonnenen Erfahrungen und Einsichten will sie teilen. Mit allen. Dazu ist ihr jedes künstlerische Mittel recht: Film, Performance, Audio, Zeichnungen, Texte. Sie strebt den Austausch und die Kommunikation mit möglichst vielen Menschen an. „Jeder Einzelne schreibt Geschichte, die meisten treten aber nicht in die Öffentlichkeit”, sagt die Künstlerin, die 1986 als Enkelin türkischer Einwanderer in München in ein durchaus politisch und kulturell interessiertes und agierendes Elternhaus geboren wurde. Als 33. Atelierstipendiatin lebt und arbeitet sie bis Ende 2020 in Mönchengladbach. Die Menschen der Stadt will sie einbeziehen in ihre künstlerische Arbeit, will sie teilhaben lassen an ihrem unermüdlichen Kennenlernprozess der „Gesellschaft der Vielen”, wie sie es nennt. „Mir stellen sich immer die Fragen: Für wen mache ich das? Für wen sind die Räume, in denen ich meine Arbeiten präsentiere, zugänglich? Wer wird ausgeschlossen – etwa wegen fehlender Barrierefreiheit?”, sagt Cana Bilir-Meier.

“Ses Alma Rehberi”, 2019, Fotocollage

hre Kunst ist unmittelbar und unabdingbar mit gesellschaftlichen und politischen Strömungen und Ereignissen verknüpft. Globales ist dabei ebenso bedeutsam wie Lokales. Daher wird sie sich an öffentlichen Orten in der Stadt zu Wort melden. Mit dem Team des Köntges an der Waldhausener Straße gibt es Absprachen, im Museum Abteiberg und im Kino möchte sie die Menschen an ihren Geschichten teilhaben lassen – mit Lesungen, Präsentationen und in Gesprächen. Die Arbeitsweise der Künstlerin lässt sich anschaulich verdeutlichen an dem eindringlichen 16-minütigen schwarz-weißen Super8-Kurzfilm, den  Cana Bilir-Meier im vergangenen Jahr in München drehte. Er trägt den Titel “This Makes Me Want to Predict the Past” und spielt in dem Olympia-Einkaufszentrum, in dem 2016 ein 18-jähriger Rechtsradikaler neun Jugendliche mit Migrationshintergrund ermordete und viele Menschen schwer verletzte. Die Kamera folgt zwei migrantischen Jugendlichen, die durch die Mall streifen und dabei ihre Träume und Hoffnungen, ihre Ängste und Albträume thematisieren. Fiktion und Realität vermischen sich. Szenen aus dem Kinder- und Jugendtheaterstück „Düşler Ülkesi” (Land der Träume, 1982), in dem LaiendarstellerInnen (auch die Mutter der Künstlerin, die Sozialpädagogin Zühal Bilir-Meier) Alltagsszenen aus dem Leben sogenannter Gastarbeiter*innen nachspielten, werden aufgegriffen. Es ging um unerfüllte Sehnsüchte, gebrochene Versprechen, Vorurteile und Missverständnisse. Zeit entwickelte sich, die Themen blieben.

„DÜŞLER ÜLKESİ“, Ausstellung im Kunstverein Hamburg, Copyright: Fred Dott

Cana Bilir-Meier lässt die Menschen an ihren Gedanken und Einsichten teilnehmen. Sie kommuniziert zugewandt und eindringlich. Sprich weiter, möchte man sie auffordern. Entdecke weiter, teile deine Geschichten mit uns. Liebe Cana, du hast so viel zu sagen! (Text: Inge Schnettler)

Hidden Hope / Deep in my chest*
*Zitat Abdul Samad Haidari aus dem Buch The Red Ribbon (2019)

Im Rahmen des von der Josef und Hilde Wilberz-Stiftung geförderten internationalen Atelierstipendiums der Stadt Mönchengladbach hat die Künstlerin und Filmemacherin Cana Bilir-Meier, eine dreiteilige Online-Veranstaltungsreihe mit dem Titel Hidden Hope / Deep in my chest kuratiert und in Kooperation mit dem Städtischen Kulturbüro, dem Kunstverein Jesteburg sowie dem KÖNTGES der Initiative Altstadt Mönchengladbach organisiert. Ergänzend zur Veranstaltungsreihe erscheint im Frühjahr 2021 ein künstlerischer Katalog, in dem sich die Künstlerin mit den Themen Archive, Erinnerung, Solidarität, Revolution(en), Migration und Arbeit in Form von Lyrik, Texten und Bildern auseinandersetzt welches den künstlerischen Abschluss ihres Stipendiums in Mönchengladbach markiert.

In der ersten Veranstaltung der Reihe Hidden Hope / Deep in my chest, am 21.02. um 17 Uhr, diskutiert die Journalistin Amina Aziz mit dem Schriftsteller Abdul Samad Haidari über seinen Gedichtband “The Red Ribbon” (2019), in dem Haidari die Geschichte als Refugee und seiner Flucht von Afghanistan in den Iran und nach Indonesien beschreibt. Es ist eine Geschichte von Gewalt und Verlust, wobei die lyrische Verarbeitung seiner Geschichte Hoffnung in sich birgt. Der Abend wird mit Filmausschnitten von Cana Bilir-Meiers Film “This Makes Me Want to Predict the Past” begleitet.

Am 23.2. folgt die zweite Veranstaltung der Reihe mit einer Lyriklesung aus dem Buch “Haymatlos” mit Bahati, Tamer Düzyol,Taudy Pathmanathan sowie der Schauspielerin Süheyla Ünlü, die Gedichte von Semra Ertan lesen und an die Dichterin und Aktivistin erinnern wird. Den Abend moderiert Cana Bilir-Meier.

Die dritte und letzte Online-Veranstaltung Oriental Futurism am 25.2., schließt die Reihe mit der Music & Art Duo Seba Kayan und Betül Seyma Küpeli und einer widerständigen und inspirierenden Performance aus einer Collage von Musik, Sound und Texten.

Mit Abdul Samad Haidari, Amina Aziz, Bahati, Betül Seyma Küpeli, Cana Bilir-Meier, G Lady S, Seba Kayan, Tamer Düzyol und Süheyla Ünlü.

Anmeldung unter: forms.office.com