Project Description

WOLFGANG SPEEN

„MALEREI ALS ABENTEUER. SAKKUM, FYDOR UND ANDERE GESELLEN“

Ausstellungsdauer:
17.01.-31.01.2016

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“
(Ludwig Wittgenstein)

Malerei als Abenteuer
Die Bildmaterie selbst hat ihre Geschichte. Diese Geschichte aufzugreifen und der Materie zum Ausdruck zu verhelfen, ist das Grundthema meiner Arbeiten. Farbe, aber auch bildfremde Materialien wie Asphaltlack, Stein- und Marmormehl, Harze, Kreide, Asche oder Sand, Karton oder Japanpapier, neuerdings auch Rost treten auf dem Bildträger in einen Dialog. Auch Sande und Erden aus anderen Ländern und Erdteilen wie Südafrika, den Malediven, La Gomera, den Azoren, Griechenland, Istrien oder auch der Nordseeküste werden zum Malmaterial. Aus der Ästhetik der jeweiligen Materialien und deren spezifischen Eigenschaften resultiert die Malweise und damit auch der Aufbau eines Bildes. Pastose Farbspuren, mitunter durchpflügt und furchenreich, stehen mehrfach geschichteten transparenten Öl-Harz-Pigmentschichten in Lasurtechnik gegenüber.

Akt des Malens thematisiert
Das Aktionistische und Gestische lässt sich an den Bildern ablesen: Die Arbeiten liegen mitunter auf dem Boden, Farbe wird geschüttet, getropft und gespritzt. Ich lasse sie verlaufen, walze und spachtele sie und erzeuge so ein Geflecht aus Linien, Flecken, durchscheinenden und deckenden Schichten, Spritzern und Schlieren, das in erster Linie den Prozess seiner Entstehung zur Schau stellt. Bilder also, die im Spiel mit dem gelenkten Zufall den Akt des Malens selbst thematisieren und sichtbar machen. Die meisten Bilder werden ständig neu bearbeitet, aufgebaut, wieder abgewaschen und mit Spachteln und Rakeln – mitunter auch mit den Händen – abgeschabt und durchfurcht. Malerei als Dialektik von Zerstörung und Aufbau: Narben und Wunden sind Ausdruck des gelenkten Zufalls. Das Bild definiert sich selbst. Schlieren, Farbverläufe, Farbflecke und –flächen hinterlassen ihre Spuren. Techniken wie Farbschüttungen, Tröpfeln, Ziehen, Abkratzen und mitunter auch das maschinelle Schleifen der Farbe sowie Collage, Decollage und Frottage ermöglichen die Spontaneität im Malprozess. Das endgültige Bild zeigt seine Entstehung: Malen als Vollzug.

Ewiger Kreislauf von Werden und Vergehen
Metamorphosen sind ein zentrales Thema: die ständige Verwandlung und Veränderung der Natur, der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen. Natur als Prozess, der seine Entsprechung in der Malerei findet. Ich mache keine Skizzen von der Natur, sondern gebe nur meine inneren Bilder wieder – einzelne Motive, die Symbole einer schöpferischen Tätigkeit sind. Die Auseinandersetzung mit Kunst ist zugleich immer auch eine Begegnung in der Sprache. Malerei und Sprache manifestieren sich gleichermaßen in Bildern und bedingen sich wechselseitig. So offenbart sich die „Bildhaut“ meiner Arbeiten in ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit aus Reliefstrukturen, Farbtexturen und Verknotungen, aber auch aus glatten, transparenten Schichten als Träger einer Bildsprache, die ihren Ausdruck auch in der Vernetzung rätselhafter Zeichen, Hieroglyphen und Buchstaben findet. Nicht das vordergründige Bild selbst, sondern das Bild hinter dem Bild, steht im Mittelpunkt.meines Interesses.
Begegnung mit der Sprache

Dabei haben die schriftähnlichen Zeichen lediglich narrativen Charakter als Verweis auf ein abstraktes Sprachensystem im Bild. Untermauert wird dieses System durch Bildtitel, die in Analogie zu den Farbklängen entsprechende „Klang-Laute“ aufgreifen. Fantasiebegriffe und Silbenfetzen wie „Sakkum“, „Fydor“, „Gerum“ oder „Lisel“ entziehen sich – wie das Bildgeschehen in Materialität und Motiv insgesamt – einer konkreten Deutung. Klanglaute stehen Farbklängen gegenüber. Sprachbild und Bildsprache erschließen sich über die reine Assoziation, sozusagen als Welt-Innenbilder. Denn was bildnerisch ausgedrückt wird, entzieht sich der sprachlichen Rückübersetzung. Erst das Sich-Einlassen auf Farbe, Fläche, Linien und Material ermöglicht schließlich die Geschichten, die uns die Bildmaterie erzählt: Die Malerei als Abenteuer.
Wolfgang Speen Mai 2015