Was ist Glück? „Das zu   machen, was man gerne macht und davon bescheiden leben können und dieses Glück ausstrahlen“, sagt Martin Lersch und fügt hinzu „das kann auch eine Provokation sein“. Vielleicht meint er damit auch die Haltung, die er sich im Leben angeeignet hat, nämlich das zu tun, was ihm Freude macht. Das ist Malen, Zeichnen, außerdem Schreiben und Musizieren. Die Neugier auf unbekannte Erfahrungen und auf Begegnungen mit Menschen „zum gemeinsamen sinnreichen und fröhlichen Agieren“.

In seiner Malerei folgt Lersch dem gleichen Grundsatz, das zu tun, was ihm Freude bereitet. Er malt ab. Nicht, dass er kopiert; er zitiert zeichnend und malend frei aus dem unendlichen Bildergedächtnis der Kunstgeschichte. Spielerisch kombiniert er Figuren, Objekte, Szenen und schafft so neue Zusammenhänge und Bedeutungsinhalte. Ähnlich einem Historiker betrachtet Lersch in der Zeitgeschichte die menschlichen Verfasstheiten, Konflikte und Grundbedürfnisse. Fragt, wie Werte, gesellschaftliche Normen und individuelles Selbstverständnis sich über die Jahrhunderte in Bildern widerspiegeln und verändern. Welche Farben, Symbole, Formen und Muster die MalerInnen benutzt haben. Wie sich die figürliche Darstellung gewandelt hat. Er untersucht beispielsweise das Frauenantlitz der Renaissance, dem Barock bis hin zum 21. Jahrhundert.

Geht es Lersch um ein tieferes Verständnis des Menschseins? Oder geht es ihm um das beschwingte Spiel mit Formen und Farben, mit Worten und Klängen? Er beschäftigt sich oft über einen langen Zeitraum hinweg mit einem Thema. Fahnenträger als Meinungsträger ist so eine Serie. Gezeichnet und gemalt von 2005 bis 2009 mit Graphitstift, Chinatusche und Ölfarben auf Vlies in den Formaten je 195 x 80 cm. Die Fahne als Zeichen des Friedens, der Revolution, des Krieges und auch der Kapitulation. Für Lersch ist sie ein Symbol gesunden Stolzes. Er findet u. a. Beispiele in der christlichen Ikonografie wie bei El Grecos Auferstehung Christi (1584-1594). In das aufgebauschte Fahnentuch malt Lersch einen Ausschnitt aus einem Gemälde von Mondrian, in dem sich Linien zu Kreuzen formieren. So spannt er einen weiten Bogen durch die Kunstgeschichte, der durch formale Bezüge inhaltliche Fragen aufwirft.

„Ich hätte Rubens gerne getroffen“ – Die Beziehung zu Peter Paul Rubens und seinen für Maria de‘ Medici geschaffenen Medici Zyklus (1621-25) zieht sich seit 1984 wie ein roter Faden durch Lerschs Werk. Für das Siegerland Museum entsteht 2019 ein siebenteiliger Zyklus aus Zeichnungen in Ölfarbe auf Papier im Format 66 x 33 cm. Siebenteilig, weil angelehnt an die sieben Buchstaben im Wort Medici sowie zu Ehren der sieben Schönen Künste. Er nimmt malend und schreibend den Dialog mit 24 Kupferstichen auf, die im 18. Jahrhundert zum Medici Zyklus ausgeführt wurden. Hier entstehen Bilder mit schnellem Strich. Sie haben jenes Skizzenhafte, Tänzerische und Humorvolle, das so typisch für die Arbeiten von Martin Lersch ist. (Text: Henrike Robert)

>> Kurzbiografie

1954 geboren in Mönchengladbach
1091-1973   Designstudium FHS Niederrhein, Krefeld
1973-1976   Illustrationsstudium Folkwang, Essen

Seit 1976 Ausstellungen im In- und Ausland

Martin Lersch lebt seit 2006 nach fünfundzwanzigjährigem Aufenthalt in Frankreich in Goch am Niederrhein